Echos aus dem Pfarrstamm vom 5.Januar 2023

Aus unserer Diskussion am 5. Januar 2023 sind folgende Texte entstanden:

Zum Thema «Tiergottesdienste» und der Frage «Sollen Pfarrpersonen Tiere segnen?»


René Poschung
Im Verlaufe unserer Diskussion über die Frage, ob Pfarrpersonen in besonderen Gottesdiensten auch Tiere segnen sollten, streiften wir kurz den Augenblick, in dem Albert Schweitzer zu seinem ethischen Leitsatz „Ehrfurcht vor dem Leben“ fand. Als er im Sommer 1915 zu einem Krankenbesuch auf dem Ogowe flussaufwärts fuhr und einer Herde Nilpferde begegnete, stand dieser Leitsatz urplötzlich vor ihm. Er hat ihn dann zum „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“ weiterentwickelt. Entsprechend änderte er auch sein Engagement. Es galt fortan nicht mehr allein den Menschen, sondern auch den Tieren. Den verletzten Pelikan Tristan, den er von zwei „Lümmeln“ gekauft hatte, pflegte er gesund. Gesegnet hat er ihn nicht. Ich halte es mit ihm. Auch ich leite aus der Begegnung mit Tieren keine Aufforderung zum Segnen ab, sondern eine, ihnen gerecht zu werden.

    
Bruno Leugger
Tiersegnung resp. Tiere-, Pflanzen-, Erntedank im Gottesdienst und unsere eigene Standortfrage: Für mich gehört das wie selbstverständlich in den ganzen Schöpfungszusammenhang gestellt:

  • Nach A.Schweitzer als «Ehrfurcht bzw. Respekt zu allem, was Leben hat und leben will» und ergänzt mit H.Jonas gehört unser Respekt und die Achtung der unbelebten - und uns vorgegebenen - Natur, die uns immer schon lebensnotwendig umgibt
  • Als spirituelle Lebewesen wollen wir erinnert und bestätigt sein, dass wir artgemäss Anderes und Reflektiertes zum Leben nötig haben als Tiere, biologische Prozesse oder materielles Sein. Und für praktizierende Pfarrpersonen bleibt es ein Anliegen - eine Aufgabe - dies in Worte zu fassen und öffentlich in liturgischen Feiern, Andachten und Meditationen erlebbar ins Bewusstsein zu bringen.


Folgende Stichworte und Themen bleiben mir vom 5. 01.23 noch hängen:

  • In der Kirchgemeinde Johannes Bern engagiert sich kirchlich und schöpfungstheologisch Kollege Liechti mit Bio-, Klima- und Öko-Themen. Er sei sehr gut vernetzt mit der Klima-Jugend
  • Die «Seniorinnen für das Klima» (les «aînés pour le climat») gingen bis nach Strassburg , damit juristisch gestützt die Versäumnisse in Politik und Bankenwelt griffiger angegangen werden können als bisher
  • Vielleicht könnte dazu ein Angebot als «Verzweiflungsgottesdienst» mit punktuell  hoffnungsvollen Lösungsbeispielen ein paar Leute mehr zu den obigen Themen ansprechen, als die bisherigen Angebote.


Hulda Gerber
Meine Ausgangsfragen «Brauchen Tiere Gottesdienste? Brauchen sie Segen? Ist der aktuelle Trend Tiergottesdienste und Tiersegnungen anzubieten nicht eine Übertragung unserer Bedürfnisse auf Tiere und in diesem Sinne eher ein ungeschickter Vermenschlichungsversuch? Beten Tiere, wie es Kollegin M. Schären von ihrem Hund behauptet in der Sendung «Nachgefragt» von Teleglise Biel mit Chr.Jegerlehner (Dezember 2022)?

Was ich aus unserer guten Diskussion mitgenommen habe:

  • Wir Menschen brauchen Gottesdienste und ein vertieftes Nachdenken über uns selbst und über die Welt in der wir leben, über unsere Versäumnisse und unseren Hang zur Überheblichkeit. Viele Menschen haben Tiere als treue und sehr nahe Begleiter in Familie und Alltag. Deshalb kann der Tiergottesdienst, ein- oder zweimal im Jahr, eine Möglichkeit sein diese Menschen anzusprechen
  • Tiergottesdienste sollten nicht als «neue Ablenkung oder als Ersatz» dienen für eine vertiefte Reflexion über umfassende und gravierende Verfehlungen von Menschen gegenüber Tieren und der gesamten Schöpfung in ihren Zusammenhängen. Wie alle Lebewesen gehört der Mensch zur Schöpfung, er muss sich als Teil der ganzen Schöpfung verstehen. Ohne sie kann er nicht leben.
  • Idee eines «Verzweiflungs-Gottesdienstes» zu schwierigen Lage des Klimas und unseren so zögerlichen Umgestaltungsinitiativen, auch ein Ermutigungsgottesdienst für radikalere Aenderungen unserer Gewohnheiten und Einstellungen.